Professor jüdischen Glaubens von der Bonner Polizei mißhandelt

P R E S S E M I T T E I L U N G

Seit ein paar Tagen finden sich immer wieder Artikel in bundesdeutschen Medien, weil Polizeibeamte in Bonn den US-amerikanischen Professor jüdischen Glaubens,  Jitzchak Jochanan Melamed von der Universität Baltimore, im Hofgarten zu Bonn einigermaßen wüst misshandelt haben.

Es gibt dazu Überschriften wie: „Opfer antisemitischen Angriffs: Jüdischer Professor wirft Bonner Polizei Lügen vor“ (SPIEGEL-Online), oder: „Vorfall in Bonn: Angegriffener jüdischer Professor bezichtigt Polizei der Lüge“ und so weiter. Also ob das Lügen durch Polizeibeamte sowie übergeordnete Pressestellen etc. etwas Besonderes darstellten.

Während solche Überschriften noch ausgesprochen hart daher kommen, wird in einigen Artikeln alles wieder mit Aussage gegen Aussage relativiert, es müssten erst Untersuchungen stattfinden (deren Ergebnisse dann wieder in kleinen Meldungen – wenn überhaupt – gedruckt werden). Natürlich liefe alles auf das Schwarze- Schaf-Syndrom hinaus.

Die unheilige Allianz von Politik und Polizei in ihrer Mischung aus Überforderung, Inkompetenz und Schulterschluss – egal was die PolizeibeamtInnen verbrechen – haben wir vielfach über die letzten Jahre illustriert. Es gibt also eigentlich nichts Neues zu vermelden, nur: Es geht noch schlimmer.
Wir nehmen dazu wie folgt Stellung, wobei Herr Prof. Jochanan Melamed alles Wesentliche gesagt hat:
Flashlight der bundesdeutschen Polizei 2018:

„Täuschen, Tarnen, Tricksen – gewaltaffin und nötigend einschüchternd“

Der Herr Professor hat dazu alles Wesentliche – auch in Interviews gesagt:

„Aber die Polizisten kamen auf mich zu. Und plötzlich, … waren zwei vor mir, zwei hinter mir, zusammen warfen sie mich zu Boden. Einer nach dem anderen sprang auf mich. Ich war geschockt und ich rief: „Ich bin die falsche Person.“
„… ich war nicht zu 100, sondern zu 500 Prozent passiv. Ich habe nichts gemacht. … Dann fingen sie an, mir ins Gesicht zu schlagen. Ungefähr 50, 60, 70 Mal – völlig verrückt.“
„Das ist ein abscheuliches Polizeiverhalten, wie man es sonst nur in einem Entwicklungsland findet.“

Auf die Frage, wonach die Polizei in einer Mitteilung schrieb, Prof. Melamed habe Widerstand geleistet: „Das ist absoluter Quatsch. Wie hätte ich das machen sollen?“

Aber als ich immer wieder rief „Ich bin der Falsche“, liefen sie endlich dem anderen hinterher und schnappten ihn.“ 
Während man ihm die Handschellen löste, sagte ein anderer Polizeibeamter auf Englisch zu ihm: „Machen Sie der deutschen Polizei keinen Ärger.“ – Herr Prof. Melamed antwortete: „Ich habe keine Angst vor der deutschen Polizei. …

Auf die Frage was er zwei Tage nach dem Vorfall über Deutschland (gemeint war: Bundesrepublik Deutschland) denkt, antwortete das zweifache Opfer eines antisemitischen Übergriffs und relativ dumm-dumpfer Polizeigewalt: „Ganz sicher habt ihr ein Problem mit dem Antisemitismus, aber ihr habt auch ein Problem mit brutaler Polizeigewalt.“

Auf der Wache hätten die Polizisten eineinhalb Stunden lang versucht, ihn von einer Beschwerde abzubringen. Einer der Beamten habe ihm gesagt, er sei von ihm an der Hand berührt worden, und erst als Reaktion darauf seien sie gegen ihn vorgegangen. Ich sagte ihm, das wäre eine glatte Lüge. Die Polizisten hätten sich sofort auf ihn gestürzt, ohne dass es zuvor zu irgendeinem Körperkontakt zwischen ihnen gekommen sei.

Am Ende hätten sie ihm deutlich gemacht, sollte er sich über sie beschweren, wären sie gezwungen, ihn zu beschuldigen, sich seiner Festnahme widersetzt zu haben.

Der einzige Grund, warum ihn hinterher noch die Polizeipräsidentin aufgesucht habe, sei der Tatsache geschuldet, dass er Professor an einer amerikanischen Universität sei. „Wenn ich nur ein Underdog der deutschen Gesellschaft wäre, würde sich niemand dafür interessieren und sicher würde auch niemand der Beschwerde Glauben schenken.“

Zu diesen toughen Äußerungen eines Professors der Philosophie gibt es nichts weiter hinzuzufügen. Ob er nun 70 Mal oder vielleicht nur 24 Mal ins Gesicht geschlagen worden ist, kann nicht entscheidend sein.
Wir Kritischen haben zu verschiedenen Anlässen immer wieder darauf hingewiesen, was in unseren Polizeien tatsächlich los ist. Nahezu alle verschließen die Ohren und Augen vor der Realität, versuchen Übergriffe zu marginalisieren, tagträumen von einer professionell arbeitenden bundesdeutschen Polizei und tauchen in solchen Konstellationen wie dieser im Bonner Hofgarten entweder ab oder verteidigen blindwütig „ihre“ Polizei.

Schon vor anderthalb Jahrzehnten hatten wir in der „TRIBÜNE“ mit konkreten Beispielen auf solche Entwicklungen in den Polizeien hingewiesen. Es erfolgten Beschwichtigungen, Relativierungen und die negative Entwicklung in den bundesdeutschen Polizeien ging weiter. Sie wird auch jetzt noch negativ voranschreiten, weil in der Politik weit und breit niemand zu erkenne ist, der dem Einhalt gebieten wollte bzw. es vermöge.

Zum peinlichsten Polizeieinsatz in der bundesdeutschen Geschichte (G 20-Gipfel in Hamburg) äußerten wir uns unter anderem wie folgt:

„Man hat jetzt die Polizei die man sich ersehnte, also ein geschlossener Block so wie vor der APO in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die nach den peinlichen Szenen bei den damaligen Studentenprotesten einschließlich argumentativer Sprachlosigkeit eingesetzter PolizistInnen eingeführten Innovationen sind zurückgedreht. Herzlichen Glückwunsch!

Eine Polizei in dieser Verfassung, diesem status quo, ist zu noch weit Schlimmeren fähig. Die dazu notwendigen Führungspersönlichkeiten sind vorhanden. Die Geisteshaltung auch. Wenn jetzt – wie unsinnigerweise im bundesweiten Konsens aller Parteien angedroht – weitere 15.000 Polizeibeamt-Innen ausgebildet werden sollen, dann werden diese von keinem anderen Geist und Selbstverständnis sein als die KollegInnen die derzeit für „Sicherheit und Ordnung“ sorgen.

Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass 15.000 Polizeistellen locker erarbeitet werden könnten, wenn endlich polizeifremde Tätigkeiten aus den Aufgabenbereichen entfernt würden und Polizeibe-amtInnen effizient eingesetzt würden. Grüne wie Linke sind bei diesen Forderungen sogar vorneweg. Die wissen noch gar nicht, was das für sie zukünftig bedeutet, was auf gerade sie zukommen wird.

Dieses Land muss sich überlegen, ob es eine solche Polizei will. Die Frage geht vor allem an die Politik in den Parlamenten, den Abgeordneten – sofern sie noch nach den Grundsätzen des Art. 38 GG arbeiten wollen – und die Medien/JournalistInnen, denn in den Polizeien ist die Frage entschieden. Die Polizei ist eben von ihren Arbeitsergebnissen nicht wirklich gut – das elendige Anis Amri-Chaos, NSU-Terror, schlechte Aufklärungsquoten bei Wirtschafts- wie Wohnungseinbruchskriminalität, versammlungsrechtliche Großlagen usw. – belegen dies zuhauf. Und die Verantwortlichen singen das Lied: „Wir haben eine Spitzenpolizei.“ – G 20 in Hamburg zeigt was für einen dilettierenden Einheitsbrei wir in unseren Polizeien haben.

An Politik wie Medien geht klar die Frage: Wer eine willfährige Polizei haben möchte, sollte in seiner politischen wie journalistischen Arbeit ruhig so weitermachen. Er befindet sich nicht bloß auf dem richtigen Weg, sondern wir können ihm „vertraulich“ flüstern, dass die bundesdeutschen Polizeien in dieser Entwicklung schon weit gekommen sind. Sehr weit. Wir finden: Viel zu weit.

Es gibt durch diese Einsatztage, die in ihrer Tragweite nur unter einem Gesamtaufblick mit den Tagen zuvor und der so besonderen Hamburger Genesis mit Bambule, Roter Flora sowie den falschen Strukturveränderungen hin zu einer Zentralinstanz bei der Polizei und den Kontinuitäten seit Ole von Beust / Ronald Barnabas Schill, der nachfolgenden SPD-Alleinregierung und derzeit Rot-Grün in Hamburg verstanden werden können Schäden, die unabhängig von Körperverletzungen und Sach-schäden sind. Wir haben heillos überforderte Innensenatoren (Michael Neumann und Andy Grote – siehe bei Interesse auch unsere Unterseite „Innenpolitik Hamburg“ auf www.kritische-polizisten.de).“

Mit der Bitte um Veröffentlichung

Thomas Wüppesahl