Aktualisierung des früheren Beitrags vom 11. 6. 2020
In den USA überschlagen sich die Ereignisse. Und in der Bundesrepublik Deutschland kommt erstmals seit den 80er Jahren (Anti-AKW-Bewegung, Umweltbewegung) auch etwas wegen der grassierenden Polizeigewalt
in B e w e g u n g.
Wir ergründen nachstehend das Warum und starten mit einer Provokation zum Thema „Menschenversuch“.
Diese Formulierung verwenden wir aufgrund mehrerer, bereits kurz nach dem 25. Mai 2020 eingegangener und zum Teil sehr eindrucksvoller Bitten, wir mögen doch zu den Übergriffen Stellung nehmen.
Allerdings sollte dazu ja alles längst bekannt sein, sollte man inclusive der notwendigen wie zulässigen Ableitungen für die BRD meinen. Nach verschiedener medialer und politischer Meinung handelte es sich am 25. Mai 2020 bei dem Mord an Floyd „nur“ um einen neuen Fall rassistisch und misanthropisch motivierten Mordes von US-Polizeibeamten an einem schwarzhäutigen Mitbürger, der zudem vorbestraft gewesen sei. Na denn.
Wir nehmen mit dieser Pressemitteilung Stellung, die bekanntermaßen mehr einer Stellungnahme denn einer PM nahekommt, weil die vorgespielte Hilflosigkeit bzw. Ahnungslosigkeit in einigen „Leitmedien“ kaum auszuhalten ist.
P R E S S E M I T T E I L U N G
George Floyd wurde am 25. Mai 2020 durch vier Polizeibeamte auf öffentlicher Straße in einer gemeinschaftlichem Handlung und offensichtlich geplant, in jedem Falle koordiniert, ohne jede erkennbare Affekthandlung, schlicht gefoltert und hingerichtet.
Das geschah mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen erst einmal gefunden werden muss. Es handelt sich nicht um irgendwelche Exzesse in Folterkellern staatlicher Geheimdienste oder Milizen, auch nicht in irgendeinem mafiotischen kriminellen Zusammenhang.
Mit „ihresgleichen“ meinen wir eine staatliche Polizei in der westlichen „Wertemeinschaft“, die mit vier polizeilichen Tätern und großem inneren Selbstverständnis so eine Tat, eine Hinrichtung, mit einer solchen zur Schau getragenen Selbstsicherheit begeht und einschließlich der zuständigen Staatsanwälte erst einmal business as usual praktiziert(e).
Das „Selbstverständnis“ besteht offensichtlich in der Annahme, sie würden – wie schon vor ihnen so viele andere PolizeikollegInnen als Täter– davonkommen. Ihr Handeln werde gedeckt. Irgendwie. Und sei es noch so abenteuerlich, juristisch komplett abstrus oder notfalls durch einen Gnadenakt dieses so besonderen amerikanischen Präsidenten Trump. Also ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland, wenn beispielsweise Olaf Scholz als Ministerpräsident Hamburgs 2017 nach dem G 20-Gipfel-Chaos-Tagen nach tausendfacher Polizeigewalt im Rundfunk darüber schwadroniert: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben.“
Notfalls werden polizeiliche Rechtsbrecher amnestiert
Und mit der Erwartungshaltung liegen die Polizeibeamten auch in den USA aufgrund aller früheren Erfahrungen ja auch richtig. Nur dieses Mal ist alles anders. Plötzlich. Warum? Ein Video gab den Ausschlag. Selten wohl war ein Mord besser dokumentiert.
Vier Uniformierte handelten im Grunde wie bei einem Tierversuch: Mal sehen, wie lange das „schwarze Tier“ lebt, wenn wir ihn durch zwei der Jungs (= Assistenten) fixieren, einen als Sicherung nach außen, einen als Reserve, falls „es“ sich wehrt. (3. Assistent) und natürlich den „Forscher“ selbst, der Haupttäter, auch in Cops-Uniform gekleidet.
Ergebnis des Versuchs: Acht Minuten und 41 Sekunden hat Floyd noch leben können, obwohl der Haupttäter sein Knie auf den Hals kniend drückte.
Ja, aber wo ist denn nun das Problem für die Verhältnisse in den USA? Die Liste der nahezu ähnlich gut dokumentierten Morde durch US-Cops ist zwar nicht unendlich, aber fürchterlich oder furchterregend lang. Die Liste der dazu erfolgten Einstellungen von straf- wie disziplinarrechtlichen Ermittlungen und sogar Freisprüchen(!) ist nahezu genau so lang!
Bei dem Mord an George Floyd sollte es routinemäßig wieder so erfolgen. Genau so gingen dann auch die Staatsanwälte in Minnesota nach der Tat vor. Und wurden deshalb jetzt abgelöst. Andere als die eigentlich zuständigen Staatsanwälte verschärften die Verfahren massiv: Plötzlich gibt es eine Anklage „wegen. Mordes 2. Grades“ und alle drei anderen Assistenten wurden auch angeklagt. – Ja, warum das denn?
Im Grunde müssten doch auch die zuvor tätig gewesenen StaatsanwältInnen mit angeklagt werden: Behinderung der Justiz, Strafvereitelung etc.
Warum läuft es hier bei einer einzigen und zuvor von so vielen schon begangenen Tötungen durch US-Cops an einem schwarzen Mitbürger US-amerikanischer Staatsangehörigkeit so komplett anders, dass sich Trump sogar überlegte, das Militär gegen die eigenen Bürger einzusetzen? In dem Falle wäre ein bedeutsames Kriterium für einen Bürgerkrieg erfüllt gewesen. Es war nun wirklich genug getrump(f)t, wenn die USA noch Demokratie und in Resten Rechtsstaat bleiben wollen.
Die dramatische Staatstragödie unserer Demokratien: Unruhen führen zu Verbesserungen.
Warum melden sich plötzlich auch noch die vier lebenden ehemaligen US-Präsidenten zu Wort? Die Antwort ist ganz einfach: Weil ausgerechnet diese Filmaufnahmen von der ohne erkennbaren Sinn und Verstand wie genussvoll vollführten Hinrichtung, die in ihrer Erbarmungslosigkeit, das Opfer formulierte vielmals, es könne nicht atmen, kaum zu überbieten ist, zu den Unruhen führten.
Es ist nicht die Erkenntnis bei den Demokraten oder den vier ehemaligen US-Präsidenten, wie etwa „Oh nein, oh nein“ – „Nie wieder“ etc., sondern es ist die ausgebrochene Gewalt, die berechtigte Wut der Ausgegrenzten der US-amerikanischen Gesellschaft. Nichts anderes jedenfalls ist entscheidend dafür, dass die Demokraten einen Kniefall in Washington D.C. machen oder halbwegs vernünftige Gesetzesvorschläge in den Kongress einbringen wollen.
Die Demokraten hatten unter Clinton, zuletzt unter Obama, alle Möglichkeiten ihre Polizeien neu aufzustellen. In dessen letztem Amtsjahr gab es 1.000 Tote durch Polizisten. Gerade Obama, der ja kurz nach Amtseintritt sogar die versprochene Verantwortlichkeiten von CIA-Folterknechten ahnden und sanktionieren lassen wollte, ging davon genauso ab wie von notwendigen Korrekturen der US-Polizeien bei deren Ausbildung, der Rekrutierung, der Ausstattung und deren Selbstverständnis.
Einzelheiten dazu langweilen nur. Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Und diese machen Angst. Denn die US-Demokratie wird faktisch von Oligarchen- Familien verwaltet. Es sitzen nicht allein und unter sich nur Millionäre und Milliardäre in Kongress und Senat, sondern es hat auch niemand anderes eine Chance, zum Beispiel US-Präsident zu werden, der nicht selbst über etliche Milliönchen, sogar Milliarden, verfügt und darüber hinaus noch Spendengelder einsammelt, die von großen Lobbyisten kommen und sie anschließend im Falle des Wahlsiegs von ihnen abhängig machen.
Was ist der Bundesrepublik Deutschland wegen Floyds Ermordung los?
Derzeit glimmt eine Diskussion, wie wir sie schon des Öfteren in der BRD hatten. Nur sind plötzlich so viele DemonstrantInnen auf den Straßen wie zuletzt in den 70er und 80er Jahren. Und es gibt eine (von zwei) SPD-Parteivorsitzenden – Frau Eskens – die einigermaßen vernünftig kommentiert und zaghaft fordernd formuliert und dafür sofort angefeindet wird.
So hörte man im Deutschlandfunk sofort ihren Parteigenossen Pistorius, seines Zeichens Landesinnenminister in Niedersachsen, der sie (Frau Esken) auseinandernahm und allen Ernstes ins Feld führte, dass ja „lediglich“ 200 Beschwerden bei der Anti-Diskrimierungsstelle des Bundes wegen Racial Profiling/Diskriminierung durch PolizeibeamtInnen aufgelaufen seien. Gewissermassen: So wenig! So what! … Bei rund 300.000 PolizeibeamtInnen bundesweit.
Oder er schwadroniert über die Beschwerdestellen, zuständig für bei den 16 Landespolizeien bzw. für alle Behördenzweige . Der Mann hat nichts begriffen, oder tut so, oder er ist naiv.
Es gibt bislang in drei Bundesländern Beschwerdestellen, davon sind zwei für alle Verwaltungsgliederungen zuständig und nur eine speziell für die PolizistInnen. Alle drei Beschwerdestellen sind zahnlose Tigerchen, genauso wie die oft bei den Polizeipräsidenten angesiedelten internen Beschwerdestellen in den Polizeien. Dazu gibt es so viel Empirie das es einem ganz schwarz wird.
Der umstrittene CDU-Innenminister in NRW sorgt jetzt dafür, dass 51 (interne) Extremismusbeauftragte bei der Rhein- und Ruhr-Polizei installiert werden. Wohlgemerkt: Extremismus von Rechts (wer dächte bei den Polizeien an linke ExtremistInnen, hahaha). Da hat jemand ein klein wenig begriffen und: Setzt um oder tut wenigstens so.
Was wir bräuchten ist klar: Wie in Großbritannien eine fachlich, personell, rechtlich, sächlich und finanziell effektiv aufgestellte „Beschwerdestelle“ oder Ombudsleute oder Polizeibeauftragte! Mit eigenen Ermittlungszuständigkeiten, damit die unselige Kameraderie zwischen gegen KollegInnen ermittelnde PolizeibeamtInnen sowie den genauso unseligen StaatsanwältInnen (Corpsgeister gibt es tausendfach, nicht bloß bei Polizeien und Militärs!) weitgehend unterbrochen werden kann.
Dabei ist die Lösung so einfach und längst „bekannt“
So wie in Großbritannien, wo seit – unfassbar für jeden Rechtsstaat – nach in den 70er und 80er Jahren stattgefundenen Gewaltexzessen durch PolizeibeamtInnen eine unabhängige Behörde, genannt „Independent Office für Police Conduct“, ihrer segensreichen Arbeit nachgehen kann.
Die rund 1000 Mitarbeiter arbeiten umsichtig, fallbezogen auch mit der Polizei zusammen, um Vorwürfe wegen Polizeigewalt und anderem unabhängig zu klären. Das funktioniert auch, weil sie nicht einem Innen- oder Justizminister unterstellt sind, sondern dem Parlament.
Budget rund 83 Millionen Euro pro Kalenderjahr usw.
Es sind also alle Instrumente bekannt, wie die ausufernde Polizeigewalt eingedämmt werden könnte. Eine zunehmende Polizeigewalt, die weitere Gewalt auf der polizeilichen Gegenseite bewirkt. Inzwischen sind die Schäden durch PolizeibeamtInnen größer als umgekehrt!
Und der inakzeptable Corpsgeist wurde schon in den 90er Jahren von einem einzigen Oberstaatsanwalt als das beschrieben was er ist: Nichts anderes wie bei der Cosa Nostra; der Mann kam aus dem OK-Bereich…
Es gibt so gut wie nie eine Polizeibeamtin/Polizeibeamten, die gegen KollegInnen aussagt. So viel in diesem Zusammenhang zu unseren HeldInnen der Inneren Sicherheit. Ein einziges Trauerspiel.
So wie in England könnte es vielleicht etwas werden, nach den so und so vielen Gewaltexzessen durch bundesdeutsche PolizeibeamtInnen flächendeckend in der Bundesrepublik Deutschland! Wenn denn die politisch Verantwortlichen denn endlich ernsthaft etwas für uns BürgerInnen verbessern wollten, um darüber auch den vielen seriös und gewissenhaft in unserem PolizeibeamtInnen viel viel Lasten abzunehmen!
Aber genau an diesem politischen Willen fehlt es. Siehe Pistorius, der es fertig bringt, nach über sieben Jahren in diesem Staatsamt das oben zitierte Zeug über den Deutschlandfunk digital und in den Äther zu emittieren. Also spricht mehr dafür, dass er den unseligen falschen Corpsgeist mit deckt. Denn so dumm ist er halt nicht, dass er selbst seinen Worten glaubte!
Für die Erkenntnis von unabhängigen Beschwerde- und Kontrollinstanzen gegen Polizeigewalt und anderen Ferkeleien können wir Kritischen zwar nicht ein Copyright beanspruchen, aber wir gehören auch dort zu der Avantgarde im Forderungsbereich. Andere übernehmen dann immer wieder unsere Textbausteine.
Nur wer dann gesetzestechnisch solche Konstrukte wie die derzeitigen Kummerkästen (= vorhandene Beschwerdestellen) oder jene „Polizeikommission“ einführt, der legt es darauf an, bewusst eine effektive Kontrolle der Polizeien zu verhindern. Oder es geht darum, wie der Unterzeichner definitiv bezüglich der HaHa-Polizeikommission weiß, dem mittlerweile in den Landtagen bis zum Deutschen Bundestag Bundestag aktiven Polizeilobbyismus, nichts entgegenzusetzen.
Die 17 Innenminister lassen proaktiv weitere Polizeigewalt zu
Die jetzt vom kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) angekündigte Studie zu rechten bis rechtsextremen Einstellungen bei bundesdeutschen Polizeien ist gut bis sehr gut. Nur: Auch wenn diese Truppe in Hannover dies täte wurden solche solche Ankündigungen in den letzten Jahren wieder und wieder von den Polizeigewerkschaften lust- wie kunstvoll geschreddert. Belege gibt es zu Hauf.
Entscheidend bleiben die Taten. Nach den Exzessen mit permanentem racial profiling, NSU und anderem als „Pannen“ beschönigtes Versagen sind diese überfällig. Dazu zählen auch die jahrzehntelang ignorierten „Dunkelfelder“ beim Kindesmissbrauch, gerade durch die und in den Kirchen sowie allgemein in der Gesellschaft! Oder das Elend in der Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität (siehe VW), Geldwäsche usw.
Das – und (fast) nur das – ist die entscheidende Stellgröße: Der politische Wille! Es ist der fehlende politische Wille oben, ganz oben, in den Senats- und Staatskanzleien bzw. dem Bundeskanzlerinnenamt sowie den Spitzen der Innenministerien, der zu den Fehlentwicklungen führte und, siehe Wirtschaftskriminalität, ganze Bereiche der Kriminalität schont.
US-amerikanische „Lösung“: Auflösung der Polizei (Minneapolis und anderswo)
Tatsächlich beschloss der Stadtrat in Minneapolis mehrheitlich, dass sie „ihre“ Stadtpolizei auflösen. Andere Städte folgen, oder entzogen „ihrer“ Polizei finanzielle Mittel bzw. spielen mit diesem Gedanken.
Das kann aus verschiedenen Gründen kein Vorbild für die BRD sein. Nicht bloß, weil der Beamtenstatus ein solches Vorgehen unmöglich macht. Sondern auch, weil der Standard des normalen Cops trotz notwendiger und sehr weitgehender Kritik am aktuell vorhandenen Aufgabenverständnis, in Arbeitsweise und Ausbildung etc. keinen Vergleich zu jenen Missständen in den USA zulässt.
Es gibt allerdings auch in der BRD Einheiten bei denen man genauso auflösend vorgehen möchte. Das ginge vom Ergebnis her. Nur methodisch halt anders. Dafür ist der jüngst bekannt gewordene Brief aus den Reihen des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, in dem ein dortiger Elitesoldat genau dies fordert, weil die Dienst- und Fachaufsicht keine Chance gegen eine verschworene Gemeinschaft wie der im Kommando Spezialkräfte hat, ein gutes Beispiel.
Da es so ähnlich auch bei Eingien Einheiten der Polizei ist, läge der analoge Verfahrensvorschlag (Auflösung) nahe. Dies gerade auch deshalb, weil die Dienstaufsicht bei den Polizeien immer dann, wenn es um KollegInnen geht, die rechtswidrig gearbeitet haben, auch fast immer versagt. Genauso wie die staatsanwaltschaftliche Arbeitsweise! Und sogar vor Gerichten haben solche PolizeibeamtInnen noch einen Bonus.
Auch dazu sind alle Instrumente bekannt und vorhanden. Wenn wer denn wollte.
Im NDR-Info-Radio war ein Soziologe der „Polizeiführungsakademie“ aus Hiltrup zu hören, der sich darüber echauffierte, dass bei Polizeibeamten immer gleich die „Keule des Strafrechts“ drohe, wenn KollegInnen, die in flagranti (= auf frischer Tat ertappt) bei rechtswidrigem Tun umgehend angezeigt würden. Auch der Mann hat noch nichts oder jedenfalls zu wenig begriffen. So aber geht es im Moment tagein wie tagaus.
Kommt der politische Wille? Irgendwann…
Es wird sich nichts ändern, solange nicht der politische Wille mit dem Grundgesetz und seinem Anspruch auf Gewaltenteilung, Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz der Menschwürde, Gesundheit und Leben durch den Staat und so weiter einhergeht. Dieser existiert angesichts der ausufernden Polizeigewalt wie ausgeführt nicht.
Interessante Links zum Thema:
https://taz.de/SPD-Streit-ueber-Rassismus-in-der-Polizei/!5688280/
https://taz.de/Politikwissenschaftler-ueber-Polizei/!5692074/